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Den Schutt der Geistfeindschaft wegräumen – Brachliegende Felder katholischer Intellektualität

In: FUGE Band 2, „Profane Zumutungen“, Paderborn, Schöningh, 2008, S. 7ff.

»Kann es heute katholische Intellektualität geben? Es müsste zunächst viel Schutt weggeräumt werden: Schutt der eigenen Kirchengeschichte, aber auch Schutt vergehender Selbstdeutungen der Moderne. Der Zweck einer solchen Räumung wäre jedoch nicht die Entsorgung, sondern die kritische Aneignung von Vergangenheit. Dies ist das Geschäft von Intellektuellen. Und in diesem Geiste fragen wir hier nach den Möglichkeiten und Hindernissen katholischer Intellektualität in unserer Zeit.

Die geschichtliche Erfahrung, in deren Horizont wir unsere Betrachtung vornehmen, hat zwei Komponenten, die wir nicht aus dem Auge verlieren sollten: zum einen die Ernüchterung von einem transhistorischen, die Totalität der Lebensführung für sich in Anspruch nehmenden kirchlichen Triumphalismus und zum anderen das Scheitern der geschichtsphilosophischen Hoffnungen der Aufklärung, durch Säkularität den menschlichen Fortschritt allein auf Wissenschaft und sich selbst regulierende Freiheit gründen zu können.

(...) So können wir seit Anfang der achtziger Jahre in der westlichen Welt zwar ein erneutes Interesse an ›Religion‹ beobachten. Es entfaltet sich jedoch weitgehend ohne Beziehung auf die christlichen Kirchen und ihre Traditionen.

BLASSE KATHOLISCHE INTELLEKTUALITÄT. Kann sich unter diesen Umständen noch eine katholische Intellektualität entwickeln? Es fällt auf, dass in Deutschland trotz einer nach wie vor vielfältigen katholischen Medienlandschaft, trotz zahlreicher theologischer Fakultäten und katholischer Akademien und trotz zahlreicher Katholiken unter den einflussreichen Intellektuellen unserer Zeit der Referenzrahmen des Katholischen in der Öffentlichkeit blass geworden ist. Ohne Namen von noch Lebenden zu nennen: Als explizit katholische Intellektuelle kommen einem vor allem Kardinäle, darunter der neue Papst, und einige wenige durch das »nihil obstat« kirchlich autorisierte Professoren der Katholischen Theologie in den Sinn. Hier ist der Referenzrahmen des Katholischen »amtlich« stabilisiert. Das gilt auch für die zahlreichen »Erklärungen« und Denkschriften, die von Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz oder dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken herausgegeben werden, darunter manche bedenkenswerte Stellungnahme zu Fragen der Zeit. Sie beanspruchen eine ähnliche Funktion wie die Stellungnahmen von Intellektuellen, aber es fehlt ihnen die persönliche Verantwortung und der Stil eines bestimmten Autors. Ihre Anonymität und ihre dem Gruppenprozess geschuldeten biederen Formulierungen machen sie unattraktiv für intellektuelle Auseinandersetzungen.«